Destillerietour

SRT17 – Edradour – die kleinste Destillerie Schottlands?

Es war einmal die kleinste Destillerie Schottlands und in meinen Augen auch eine der schönsten. 2008 war mein letzter Besuch vor Ort. Seitdem hat sich viel getan, denn die Größe soll in etwa verdoppelt werden. Zeit für einen weiteren Besuch und Bildern von der Baustelle.

Hintergrund

Vermutlich 1825 ursprünglich gegründet als Glenforres wird Edradour 1837 das erste Mal erwähnt. 1982 wird die Destillerie durch Campbell Distillers übernommen (übernommen durch Pernod Ricard). Viele Jahre versucht Andrew Symington (Signatory, unabhängiger Abfüller) dieses Schmuckstück zu übernehmen. Dies gelingt ihm schließlich mit viel Hartnäckigkeit 2002 zu einem Preis von 5.4m GBP.

Edradour - Scotland's Little Gem

Seit die neue Craft-Whisky-Szene boomt und Regularien verändert wurden, werden immer mehr kleinere Destillerien gegründet. Lange hat man bei Edradour daran festgehalten, dass man die kleinste Destillerie Schottlands betreibt. Die Zeiten sind nun vorbei und der offizielle Slogan lautet nun: „Scotland’s Little Gem“ (in etwa: Schottlands kleines Schmuckstück).

Vielleicht liegt es auch daran, dass man auf dem Gelände eine „zweite“ Destillerie erbaut (Edradour II). Diese neue wird keine eigenständige Destillerie, sondern ist eine Erweiterung der bestehenden. Soweit möglich handelt es sich dabei um eine 1:1 Replik, denn die alte muss renoviert werden und die neue muss dann die Produktion übernehmen. Sobald beide fertig sind, mögen die Karten neu gemischt werden, aber bis dahin wird noch ein wenig Zeit vergehen.

Meine Tour

Mein Besuch galt in erster Linie „Signatory“ und der neuen Destillerie, denn die alte habe ich bereits 2008 mit meiner Familie besucht. Damals wurde sie im Familienrat als die schönste Destillerie Schottlands tituliert. Viel scheint sich auf den ersten Blick nicht verändert zu haben. Ich bin ein paar Minuten zu früh und warte vor verschlossenem Tor mit einigen anderen. Andrew fährt mit einem Gabelstapler durch die Gegend (ein typisches Bild habe ich mir sagen lassen). Ich melde mich beim Visitor Center an, denn ich habe einen Termin mit der rechten Hand von Andrew: Des McCagherty. Des ist ähnlich wie Andrew an allen Fronten gleichzeitig im Einsatz und so schickt er mich mit John, einem der altgedienten Tourguides, erst mal durch die Destillerie.

Edradour - Tasting Bar

Wir fangen mit einem Tee in der Edradour Tasting Bar an. Hinter der Bar stehen sehr rare und ausgefallene Whiskys von Signatory und Edradour. Werft einen Blick auf die Preisliste an der Bar und nehmt Euch Zeit, den einen oder anderen zu probieren. So günstig (ca. 1/3 umgerechnet auf den normalen Flaschenpreis) werdet Ihr nirgends dazu die Möglichkeit haben.

Edradour - Worm Tubs

Weiter geht es zu den Wormtubs vorbei am Kiln. Der alte Kiln wird schon lange nicht mehr benutzt und so wurde das Gebäude zu einem weiteren Veranstaltungsraum umfunktioniert. Die Wormtubs sind hinter dem Produktionsgebäude im Freien und haben sich seit meinem letzten Besuch nicht verändert. Auch das Sacklager mit dem Malz und der Mühle erkenne ich wieder. Weiter geht es auf der Ebene mit Blick auf die beiden Stills zu den Washbacks und einem altmodischen Refridger (einer der letzten im Betrieb). Vorbei an den Stills steht in der unteren Etage dann die gute alte Mash Tun – offen mit einem Rechen ähnlich wie bei Bruichladdich. Auch das hat sich nicht verändert. Früher mussten Potstills mindestens 2.000 Liter fassen, um nicht als mobile Brennblasen vom Fiskus als illegal bewertet zu werden.

Edradour I - Lagerhaus

Nun hat Des Zeit für mich und führt mich zu den Lagerhäusern von Edradour I. Hier liegen Fässer von Edradour (ca. 5.000) und von Signatory (ca. 1.000). Diese Lagerhäuser ziehen sich ineinander verschachtelt den gesamten Hügel hoch. Auf Grund der Steigung müssen auch immer wieder Rampen auf das nächste Höhenniveau führen.

Neue Brücke mit Blick auf Edradour II

Auf Höhe des Lagerhauses führt auch bereits die neue Brücke auf die andere Seite des Flusses zum Still House von Edradour II. Aber begehen können wir die Brücke noch nicht. Des führt mich über eine Abkürzung auf die andere Seite und in den Rohbau des Still House. Noch ist es schwierig sich die fertige Destillerie vorzustellen, aber die Ausführungen von Des sind sehr informativ. Bevor ich mich von Des verabschiede, stellt er mir noch einen deutschen Mitarbeiter vor. Matthias Poser ist schon seit vielen Jahren bei Edradour. Und wenn er gerade nicht im Still House arbeitet, kümmert er sich auch mal um die Beschriftung von Fässer. Wer hier arbeiten will, muss genau wie die Chefs überall anpacken.

Produktion

Die Mühle ist eine AR2000. Das Malz wird in Säcken angeliefert und nach dem Mahlen in einem Behälter oberhalb der Mash Tun zwischengelagert. Die offene, gusseiserne Mash Tun stammt aus dem Jahr 1910 und fasst 1,25t.
Edradour - Still House Galerie

Die beiden Washbacks aus Oregon Pinie fassen jeweils 5.000 Liter. Die Wash Still fasst 4.200 Liter, die Spirit Still 2.200 Liter. Beide Brennblasen sind mit den über 100 Jahre alten Wormtubs auf der Rückseite des Gebäudes verbunden. Produziert wird aktuell im 2-Schicht-Betrieb mit 6 Mashes pro Woche eine Jahresproduktion von ca. 130.000 LPA (Liter purer Alkohol). Der Ballechin ist die „peated“ Ausgabe von Edradour, die mit 50ppm und ca. 20.000 LPA hergestellt wird. In Edradour II werden 4 Washbacks zum Einsatz kommen und es sollen dann 5×2 Mashes pro Woche gefahren werden. Damit dürfte die Kapazität von Edradour II etwas höher liegen. Die Renovierungsarbeiten an Edradour I werden in etwa 18 Monate dauern.

Fazit

Ich zähle aktuell ca. 8 Destillerien, die weniger produzieren. Und auch von der Größe her sind einige davon kleiner als Edradour, manche produzieren aber einfach noch weniger als sie es könnten. Edradour II soll im Dezember 2017 mit der Produktion beginnen. Eine Pressemitteilung wird es dazu vermutlich nicht geben. Edradour und Signatory haben wenig Zeit für Öffentlichkeitsarbeit und haben es auch nicht nötig.

Edradour - Des McCagherty

Ich bin sehr froh, dass ich einen Termin bei Des bekommen habe und er sich trotz eines hektischen Arbeitstages für mich Zeit genommen hat. Ich bin auf die neue Destillerie gespannt. Selbst Wormtubs und Refridger sollen dort zum Einsatz kommen. Und auch die kleinen Potstills sollen genau so sein wie bei Edradour I. Die kleinste Destillerie ist Edradour nicht mehr, aber zu den schönsten und authentischsten nach altem Vorbild gehören sie immer noch.

Die anderen Stationen meiner Reise (SRT17 = Schottland RoadTrip 2017) findet Ihr hier: Schottland Roadtrip 2017 – 20 Destillerietouren in 14 Tagen.

Alle Bilder meines Besuchs

SRT17 - Edradour

Mein Besuch bei der Edradour Distillery im April 2017 während meines Roadtrips.
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