Reiseberichte

Blick hinter die Kulissen: Glenmorangie sieht für eine Woche „schwarz“

Es ist diese eine Woche im Jahr, an der bei Glenmorangie süße Kaffe- und Schokonoten über dem Betriebsgelände hängen. Sowohl die Maische, wie auch die Würze sind schwarz statt malzfarben. Man produziert New Make mit Schokoladenmalz, das wie Kaffee geröstet wurde. Es wird Signet produziert. 

Zum 10-jährigen Jubiläum darf ich bei der Produktion des Signet über die Schulter schauen und bekomme Einblicke, die selten gewährt werden. Auf Einladung von Glenmorangie verbringe ich drei Tage in Tain und erfahre ein wenig mehr über die Herstellung dieses besonders ungewöhnlichen Whiskys.

Destillerieführung

Vom Glenmorangie House (Hotel in der Nähe des Cadboll Stone) geht es mit Dr Bill Lumsden (Director of Distilling, Whisky Creation & Whisky Stocks), Brendan McCarron (Head of Maturing Whisky Stocks) und David Blackmore (Master Brand Ambassador/USA) zur Destillerie nach Tain, wo uns auch Andy MacDonald (Glenmorangie Distillery Manager) begrüßt.

Glenmorangie - Begrüßung

Gehört habe ich einiges über den Signet und auch probieren konnte ich ihn bereits. Aber was ich auf der Führung durch die Brennerei sehe und rieche, habe ich nicht erwartet. Es fängt bereits vor dem Mash House an. Es riecht nicht wie üblicherweise bei einer Destillerie. In der Nase habe ich eher Kaffee und Schokoladennoten. 

Mit Dr Bill Lumsden und Brendan McCarron geht es in das Mash House. Auf der Mash Tun steht eine schwarze Brühe in einer Glaskaraffe. Daneben befinden sich normales und sehr dunkles Malz. Ich probiere die  Maische und bin überrascht. Das schmeckt nicht wie das übliche Bier, sondern erinnert eher an Schokolade und Kaffee. Auch ein Blick in die Mash Tun zeichnet das selbe Bild: dunkle Brühe und die gleichen Aromen. Aber wirklich spannend ist ein technisches Detail, das mir so nicht bewusst war. Das Schokoladenmalz erzeugt mit der Kaffeeröstung keinen Alkohol. Nur Aromen. Deshalb ist eine Mischung mit normalem Malz notwendig, um später in den Washbacks ein alkoholhaltiges Bier zu erzeugen. Das Mischungsverhältnis ist streng geheim, aber Dr Bill (so nennen ihn seine Mitarbeiter liebevoll) gibt mir eine Indikation von ca. 20% Schokoladenmalz. Es gibt aber keine genauen Rezepturen, wie wir noch lernen werden. 

Glenmorangie - Wort

Komplizierte Herstellung

Der Herstellungsprozess ist deutlich schwieriger. Viele Kleinigkeiten können zu Problemen führen. Wahrscheinlich ist dies der Grund, warum nicht mehr Destillerien mit dem Malz produzieren. Vor allem warmes Wetter ist nicht hilfreich“ , wie uns Brendan versichert. „Das hat man hier auch nicht häufig, aber die letzten beiden Wochen waren deutlich wärmer als üblich.

Weiter geht es zu den Washbacks. Dort wartet bereits die nächste Wasserkaraffe mit schwarzer Brühe auf uns. Nach Zugabe von Hefe und der normalen Gärzeit ist die Würze immer noch genau so schwarz wie es die Maische war. Aber etwas hat sich verändert. Nicht nur, dass Alkohol entstanden ist, die Würze schmeckt jetzt bitter. Ich finde nur noch ganz wenig Kaffee oder Schokolade! Wo sind die schönen Aromen hin? Naja, immerhin die schwarze Farbe ist geblieben.

Im Still House wartet eine weitere Überraschung auf uns. Der New Make ist – nein nicht schwarz! – natürlich genauso klar wie der normale New Make von Glenmorangie. Brendan reicht uns eine Probe von beidem. Die New Make sind aber tatsächlich unterschiedlich. Ein wenig von Kaffee und Schokolade ist wieder da.

Die Produktionsdetails findet Ihr hier: VIP-Tour bei Glenmorangie – 16 Man of Tain. Das Schokoladenmalz wird im Grunde genauso verarbeitet wie das normale Malz. Ein großer Unterschied ist aber, dass man deutliche Einbußen bei der produzierten Alkoholmenge hat. Für eine Woche lang erzielt man unter schwierigen Bedingungen nur etwa die Hälfte.

Im Lagerhaus machen wir ein Deconstruction Tasting, d.h. uns werden Fassproben der Einzelteile des Signet vorgestellt. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass ausschließlich die Schokomalz-Produktion in den Signet kommt. Das ist nicht so. Bill mag das Wort Blending an dieser Stelle nicht verwenden, sondern das französische Assemblage, da Verbraucher sonst immer wieder an Blended Whisky denken.

Glenmorangie - Decunstruction Tasting Signet

Vor uns finden wir vier Gläser mit den folgenden Fassproben:

  • Ex-Bourbon Chocolat Malt (das ist der Teil des Signet, der aktuell wieder mit Schokoladenmalz produziert wird)
  • Full Sherry Maturation (Glenmorangie wird sonst in Bourbon Casks gelagert und dann häufig für 2 Jahre gefinished)
  • Designer Cask (besondere Fässer aus den USA)
  • 35+ years Ex-Bourbon (nur ein kleiner Anteil)

Bill, Brendan und David stellen uns die vier vor und wir verkosten sie natürlich auch. Und das sind nicht alle Bestandteile eines Signet. Aber mehr wird uns im Lagerhaus nicht verraten.

Bilder der Tour

Glenmorangie Signet - Destillerietour

2742
2751
2750
2749
2748
2747
2746
2745
2744
2743
2732
2741
2740
2739
2738
2737
2736
2735
2734
2733

Masterclass mit Dr Bill

Probiert haben wir den Signet als Gesamtkomposition erst am nächsten Tag. Im Morning Room des Glenmorangie House stehen nicht nur Nosinggläser bereit, sondern diverse Eyecatcher, die uns gleich auf die richtigen Aromen einstimmen sollen. Berge von Schokolade, Orangen, Zitronen, Zimtstangen, Feigen, Aprikosen, Datteln, Feigen, Rosinen, Ingwer, Nelken und diversen Nüssen (Walnüsse, Haselnüsse und Pekanüsse). Auch Schokomalz und normales Malz fehlen natürlich nicht.

Glenmorangie Signet MC - Eyecatcher mit Aromen

Die Masterclass beginnt Bill ungewöhnlicherweise mit einer Tasse Kaffe. Bill mag Kaffee nicht so gerne, denn er verspricht mehr an der Nase als er halten kann. Die einzige Sorte, die Bill mag, ist Jamaica Blue Mountain Coffee. Der Kaffee soll uns aufnahmefähig machen.

Und wir bereiten uns nicht nur sensorisch vor, sondern erfahren auch ein wenig von Bill und vom Projekt BLUE. Nein, der Name hat nichts mit dem Kaffee zu tun. Sowohl Bill wie auch Brendan haben früher für DCL/Diageo gearbeitet und in deren Portfolio gibt es einen Premium Blend, der besonders sanft und komplex ist. Mit Projekt BLUE sollte also ein Whisky entstehen, der dem Johnnie Walker Blue Label von Diageo ebenbürtig ist. Der erste Versuch war noch nicht zufriedenstellend. Erst ein Jahr später hat Bill damals zusammen mit Rachel Barrie das richtige Konzept gefunden und so gibt es seit 2008 den Signet.

Dann kommt Bill auf die Rezeptur zu sprechen. Nun das grobe Rezept ist nur vier Leuten bekannt und unter Verschluss. Das hat sich auch an diesem Tage nicht geändert. Aber anhand eines aktuellen Beispiels wird uns klar, dass es bei der Komposition (Assemblage) nicht um Rezepte geht. Bill und Brendan sollten vor wenigen Wochen die Abfüllung des neuen Signet freigeben. Da die letzte Probe aber nicht ihrem Anspruch genügt hat, wurde zur Freude der Abfüllstrasse die Freigabe verweigert. Erst als zwei weitere – nicht genauer benannte – Fässer hinzugefügt wurden, wurde die Freigabe erteilt.

Bei diversen Gesprächen mit Bill und Brendan habe ich mir ihr Vorgehen bei der Erzeugung einer neuen Abfüllung erklären lassen und die beharrliche Antwort ist eigentlich immer die gleiche gewesen:

  • Aus verschiedenen Fassproben wird eine Komposition kreiiert
  • Die Fässer werden entsprechend der Komposition gemischt
  • Die Probe aus dem Batch mit der ursprünglichen Komposition verglichen
  • Bei Nichtgefallen wird nachgebessert

Im großen und ganzen funktioniert das also immer mit einer Vergleichsprobe, die es natürlich auch von älteren Abfüllungen gibt. Die SWA (Scotch Whisky Association) war übrigens nicht sonderlich begeistert von dem neuen Whisky mit Schokoladenmalz und wollte diesen unterbinden. Bill konnte aber mit stimmigen Argumenten davon überzeugen, dass die neue Kreation alle Vorgaben erfüllt.

Glenmorangie Signet MC - Dr Bill Lumsden verkostet Signet

Und dann ist es endlich soweit. Wir dürfen den Signet probieren. Bill geht dabei folgendermaßen vor und rät uns seinem Beispiel zu folgen:

  • Riechen,
  • Glas schwenken,
  • ein paar Tropfen Wasser.
  • Riechen und
  • probieren.

Wir heben uns auch noch ein wenig auf, denn Bill hat noch eine zweite Probe dabei, die er uns gerne zeigen möchte:

  • Glenmorangie, Oloroso Sherry Butt, Cask 7537, Oloroso Sherry Cask, Filled: 7.1.2010, Probe vom 26.6.18

Das wäre eine schöne Einzelfassabfüllung, aber Bill hat vermutlich etwas anderes damit vor. Diese Probe ist dunkler und hat einen kräftigeren Sherryton, aber führt uns die auch im Signet vorhandenen Oloroso-Aromen vor Augen oder besser die Nase.

Bill hat uns mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass Diageo kurzfristig einen „Espresso Malt“ (Johnnie Walker Blenders‘ Batch Espresso) angeboten hatte. Einen Whisky mit Schokoladenmalz hat er für Glenmorangie produziert, da Diageo während seiner aktiven Zeit nichts davon wissen wollte. „Das hätten sie auch einfacher haben können“, höre ich Bill immer noch.

Und dann verrät uns Bill doch noch ein paar Zutaten des Signet. Sieben bis acht verschiedene Stile werden vermählt. Neben dem Schokoladenmalz bildet ein 10-jähriger Glenmorangie Classic das „Rückgrat“. Auch ein Finish mit Virgin Oak Casks ist dabei. Und eine spezielle Zugabe stellt Whisky dar, der aus Cadboll Barley hergestellt wurde. Auch das sind noch nicht alle Zutaten und der nächste Batch wird anders zusammengesetzt. Aber das gibt uns eine Idee, wie ein Signet komponiert wird. Da sind wahre Komponisten am Werk!

Meine persönliche Überraschung aus der Master Class: der Signet wurde für die Zugabe von Eiswürfel kreiiert. Und es funktioniert wirklich. Aber nicht zu lange warten – oder Whiskysteine verwenden.

Bilder der MC

Glenmorangie Signet - Masterclass

Masterclass mit Dr Bill Lumsden
2752
2753
2754
2755
2756
2757
2758
2759
2760

Fazit

Habe ich mit dieser Reise meine Unabhängigkeit verloren? Nein, sicher nicht. Ich schreibe was ich will, und auch wenn mich Glenmorangie (LVHM) zu dieser Reise eingeladen hat, bin ich niemandem etwas schuldig, außer einer fairen Berichterstattung. Und noch nicht mal die wird eingefordert. Mir gefällt der Signet als Produkt, Glenmorangie als Destillerie, und es war eine seltene Chance, die Produktion mit Schokoladenmalz zu sehen. Und natürlich auch die Möglichkeit, Dr Bill und Brendan für zwei Tage aus nächster Nähe zu erleben und viele Gespräche zu führen, war eine Chance, die ich nutzen musste.

[/Ironiemodus an] Geplant war ursprünglich auch ein Hubschrauberflug, der aber leider wegen der Wetterverhältnisse ausfallen musste. So kann ich Euch leider keinen Video-Mitschnitt liefern. Aber ich bin ja auch kein berühmter Vlogger – deshalb werdet Ihr mir das sicher nachsehen. [/Ironiemodus aus]

Ich bin sehr positiv von Dr Bill und dem Glenmorangie Team überrascht. Sehr freundliche und umgängliche Personen, die ich schnell in mein Herz geschlossen habe. Das Highlight war aber diese schwarze Brühe, die man normalerweise nicht zu sehen bekommt. Bei Glenmorangie nur an sieben Prozess-Tagen (an einer Station) und somit ca. zehn Tage gesamt, bei anderen Destillerien gar nicht. Ich habe den Besuch sehr genossen und hoffe Euch daran auch ein wenig teilhaben lassen zu können.

Vielen Dank an Glenmorangie für diese Reise! Ein tolles Erlebnis!