Destillerietour

SRT23 – Cragganmore Stillman’s Tour mit James Newlands

Beim diesjährigen Spirits of Speyside Whisky Festival gab es keine neuen Destillerien für mich, die sonst nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Deshalb habe ich eine Tour bei Cragganmore gebucht: die Cragganmore Stillman’s Tour mit James Newlands.

Hintergrundwissen

Cragganmore wurde 1869 von John Smith gegründet. 1901 wird die Destillerie mit Unterstützung des Architekten Charles Doig modernisiert. 1912 übernimmt Mary Jane, die Witwe von Gordon Smith, die Leitung. 1917 geschlossen und 1918 von Mary Jane mit elektrischem Licht wiedereröffnet. 1923 wird die Destillerie an die neu gegründete Cragganmore-Glenlivet Distillery Co. verkauft. Je zu 50% sind Mackie & Co. (White Horse) und Sir George Macpherson-Grant (Ballindalloch Estate) die Eigentümer. 1927 geht White Horse an DCL (Vorgänger von Diageo). 1964 werden zwei weitere Stills eingebaut (damit 2 Paare insgesamt). 1965 kauft DCL die restlichen 50%.

Aus der Beteiligung aus 1923 haben die Macpherson-Grant (Gründer der Ballindalloch Distillery) noch einen guten Zugang zu Cragganmore Fässern. Wer sich also wundert, warum bei Ballindalloch (noch) Cragganmore ausgeschenkt wird – das ist der Hintergrund.

Tour durch die Produktion

Gebucht habe ich für den Montagmorgen die Stillman’s Tour mit James Newlands bei Cragganmore. James führt uns in den Tasting Raum und versorgt uns mit einem Cocktail. Für die Fahrer gibt es einen alkoholfreien Drink mit Seedlip. James erzählt von seinen beruflichen Stationen bevor er einen Job als Operator bei Cragganmore angeboten bekam. Unter anderem ist er ausgebildeter Küfer und hat auch für eine der „Black Sites“ gearbeitet, die die Produktionsabfälle aus den Destillerien weiter verwerten (u.a. zu Tierfutter).

Nach dem Drink und ein wenig Hintergrundwissen führt uns James durch die Destillerie und erklärt uns alles, was wir wissen wollen. Wir fangen bei den Malt Bins an und gehen weiter zur Porteus Mühle. James erklärt auf Nachfrage, wie die Einstellungen an der Mühle verändert werden können. Die Frage, ob wir auch „über die Mühle“ schauen wollen, wurde sofort bejaht. Ich sehe schon, ICH bin heute nicht derjenige mit den vielen Fragen, der alles sehen will. Die Rolle übernimmt heute ein Ingenieur (aus Deutschland). Wir sehen uns den De-Stoner an und James erklärt die Funktionsweise.

Als nächstes ist die Mashtun an der Reihe. Man könnte meinen, dass sie einen Kupferdeckel besitzt, aber der ist aus rostfreiem Stahl (Stainless Steel) und nur mit einer Kupferfarbe lackiert, wie uns James verrät. Neben der Mashtun hat man einen guten Blick durchs Fenster auf die Wormtubs.

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Weiter geht es zu den hölzernen Washbacks. Die Deckel kann man öffnen und James lässt uns bei einem reinschauen. Die Washbacks sind mit allerhand Technik ausgestattet aber auf den Einsatz von Switchern hat man verzichtet. Weiter geht es zu den Potstills. Zwei Paare sind es. Die beiden Spirit Stills wirken etwas unter die Decke gedrückt und die Lynearms sind nicht über einen Swan neck (Schwanenhals), sondern etwas unterhalb der flachen Spitze („flat top“) verbunden. Die vier Stills wurden mit einem paar Überdruckventilen ausgestattet und sind mit dem Wormtub verbunden. Am Spirit safe erklärt uns James alles über die Destillation und zeigt uns auch die verschiedenen Computerbildschirme. Darüber kann die gesamte Produktion gesteuert werden. Normalerweise ist hier eine 1-Mann-Operation.

Aber damit der Einblicke nicht genug. James geht mit uns auch unter die Stills und erklärt auch hier einige Details. Der deutsche Ingenieur freut sich, denn er ist Spezialist im Bereich von Ventilen und kann die alle mit Namen benennen.

Wir gehen weiter in das Dunnage Warehouse #2 und auch hier darf ich überall fotografieren. James ist in seinem Element und erzählt nicht nur alles über die Fassherstellung, sondern auch einige Anekdoten aus seiner Küferzeit. Das Beste kommt aber noch: James öffnet ein Fass und holft mit dem Valinch Whisky heraus. Jeder der möchte soll zu ihm kommen und er verteilt den Whisky in die Hände der Heraneilenden. Wer braucht schon Gläser, wenn es auch so geht. Unbezahlbar.

Im Still House sind zum Abschluss auf einem Tisch zwei Drams für uns aufgebaut, die ich mir beide als Drivers Pack mitgenommen habe:

  • Cragganmore Distillery Exclusive, 48%
  • Cragganmore Anniversary, 48.8%

Technische Daten der Cragganmore Distillery

Es werden aktuell zwei verschiedene Malze verwendet: Concerto und Laureate (wird nur noch selten benutzt). Die leichte Torfnote kommt durch ca. 50 kg Peated Malt pro batch. Die 5 Malzbehälter (malt bins) fassen je 28 Tonnen. Die Porteus Mühle verarbeitet ca. 7 Tonnen pro Stunde. Die 7 Tonnen kommen in die Lauter Mashtun mit 10.000 Litern Wasser (64°C) für 30 Minuten. Danach werden 30-31.000 Liter Wasser gesprüht (mit 72°-84°C). Der Deckel der Mashtun ist aus rostfreiem Stahl (Stainless Steel) mit kupferfarbenen Anstrich.

28.500 Liter Würze (wort) kommen dann in eines der 6 hölzernen Washbacks. Die maximale Kapazität beträgt 34.000 Liter. Insgesamt werden 16 Maischen (mashes) pro Woche produziert. Die Fermentationszeit von 12 mashes beträgt 50 Stunden, die der restlichen 4 mashes 60 Stunden.

Ein Drittel des Washback Inhalts (wash) kommt dann in eine der 2 Wash Stills (ca. 9.100-9.500 Liter). Die 2 Spirit Stills werden mit ca. 6.100 Litern Low Wines gefüllt. Am Ende entstehen daraus ca. 1.300 Liter New Make (pro Still). Das besondere an den Spirit Stills sind die „flat tops„, d.h. hier findest Du keinen „Schwanenhals“, sondern die Stills sind oben platt und der Lynearm zweigt etwas unterhalb ab. Alle vier Stills sind an einen Wormtub Codenser (siehe Bild oben) angeschlossen. Die Länge der worm tubs beträgt ca. 30 Meter.

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Man möchte gerne einen schwefelhaltigen (sulphur) und fleischigen (meaty) Stil erzeugen. Dafür muss die Produktion „schnell“ sein. Die Fermentationszeit ist mit 50-60 Stunden verhältnismäßig kurz. Die Wash Still wird ca. 20 Minuten gereinigt, 20 Minuten neu gefüllt und destilliert dann für ca. 3 Stunden. Die Spirit Still wird 10 Minuten geleert, 10 Minuten neu gefüllt und destilliert dann für ca. 2 Stunden.

Die Produktion wurde von 5 Tage pro Woche (1,8 mLPA) auf 7 Tage pro Woche mit einer Kapazität von 2.3 mLPA. Produziert wird im 3-Schicht-Betrieb mit jeweils einem Operator.

Einige Fässer haben wir in Warehouse #2 (Dunnage) gesehen, aber ein Großteil geht sicher in die zentralen Lagerhäuser von Diageo, denn Cragganmore wird zu großen Teilen für die Blends verwendet. In die Fässer wird mit den typischen 63.5% Alkoholgehalt abgefüllt.

Fazit meiner Tour durch die Cragganmore Distillery

Die Tour hat zwar eine Stunde länger gedauert als geplant, aber James hat uns jeden Winkel gezeigt und jede Schraube erklärt, die gefragt wurde – und ich habe die Fragen nicht gestellt (ein deutscher Ingenieur wars!)… 

Das Highlight war sicher im Dunnage Lagerhaus als James zwei Fässer geöffnet hat und uns eine kleine Probe direkt in die Handflächen ausgeschenkt hat. Auch das ist mir so noch nie passiert. Eine sehr schöne Tour mit sehr vielen Einblicken. Das hat James toll gemacht!

SRT23 - Cragganmore

Mein Besuch bei Cragganmore während des Spirit of Speyside Whisky Festivals 2023
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Eine Zusammenfassung meines Schottland Roadtrips 2023 (#SRT23) findest Du hier. Oder Du nutzt das Hashtag #SRT23 an dem Artikel.

Und wenn Du noch mehr Destillerien aus der Nähe sehen willst, wirst Du hier fündig: Hauptmenü -> Themen -> Destillerietouren (neueste zuerst) oder auf der Seitennavigation (alphabetisch). Die Webseite der Cragganmore Distillery hilft Dir bei den Touren weiter. Meine Tour mit James (keine Standard-Tour) kam 30.- GBP.