SRT19: Mortlach, die Wee Witchie und eine 2,81-fache Destillation
Mortlach stand schon lange auf meiner Liste der Destillerien, die ich unbedingt besuchen will. Alle Mühen, die Genehmigung zu erhalten, waren bisher vergebens. Dank des Festivals ist es mir dieses Jahr aber gelungen. Donald Colville hat uns durch die Destillerie geführt und uns die 2,81-fache Destillation erklärt an der die „Wee Witchie“ maßgeblich beteiligt ist.
Hintergrundwissen
Im 7.ten Jahrhundert hieß der Ort neben der hier gegründeten Abbey bereits Mortlach, aber mit der Entstehung von Dufftown 1817 ist dieser Name in Vergessenheit geraten. 1823 gründeten dann James Findlater, Donald Mackintosh und Alex Gordon die erste lizenzierte Destillerie in Dufftown. Danach fiel sie in die Hände von Glen Grant und wurde „ausgeschlachtet“ für die eigene Destillerie in Rothes. Bis 1851 werden die Gebäude als Kirche und Brauerei genutzt. Erst 1851 wurde hier wieder Whisky produziert. 1853 wird George Cowie Mitbesitzer, dann 1867 nach dem Tod von John Alexander Gordon alleiniger Eigentümer. 1896 steigt sein Sohn Alexander Cowie in das Unternehmen ein. Bis 1923 war Mortlach im Besitz der Cowie’s bevor sie über John Walker & Sons, dann DCL schließlich in den Besitz von Diageo überging. Seit 1968 werden hier übrigens keine Malting Floors mehr genutzt, d.h. das Malz wird seither nicht mehr selber produziert. Ein Besucherzentrum gibt es hier nicht und besuchen kann man die Destillerie nur sehr selten. Während des Spirit of Speyside Whisky Festivals werden immer wieder mal Touren angeboten und genau eine solche habe ich gebucht für 60.- GBP.
Tour durch die Produktion
Donald empfängt uns im Tastingraum und erzählt uns ein wenig von der Geschichte Mortlachs. Vor uns stehen drei Whiskys. Probieren dürfen wir noch nicht, denn erst gehen wir auf Tour. Die Porteus Mühle lassen wir aus, aber an der Mashtun geht es los. Neu aus Edelstahl und mit erklärenden Schildern. Weiter geht es zu den hölzernen Washbacks, die ebenfalls neu sind und von Browns Vats aus Dufftown gebaut wurden.
Vom Mash House geht es dann ins Still House. Ein sehr ungewöhnlicher Anblick erwartet uns hier, denn alle Stills sind unterschiedlich in Größe und Form (links die drei Spirit Stills, rechts die drei Wash Stills). Und ganz hinten in der Ecke ist die „Wee Witchie“, die Spirit Still Nummer 1, von der in jeder Mortlach Abfüllung etwas enthalten sein muss. Wir gehen weiter nach draußen und können uns die Wormtubs aus der Nähe anschauen. Diese traditionelle Art der Kühlung wurde auch nach der Modernisierung beibehalten, genauso wie die hölzernen Washbacks. Für uns geht es weiter ins Lagerhaus. Dort kann man während des Festivals auch „bottle your own“, d.h. eine eigene Flasche direkt aus einem Fass abfüllen. Wir bearbeiten Donald ein wenig und dürfen während des Tastings erst Mal probieren.
Produktion
Technische Daten
Wie in vielen anderen Destillerien verrichtet auch hier noch eine Porteus Mühle ihren Dienst und bereitet pro Batch 12 Tonnen Grist für die neue Mashtun aus Edelstahl. 2015, während der Modernisierung, wurden auch 6 neue Washbacks von JB (Brown) Vats aus Douglasie mit einem Füllvolumen von 60.000 Litern (85.000 Liter max) gebaut. Donald spricht von einer 60h Fermentation. Die 6 Potstills sind alle sehr unterschiedlich und auch die Destillation ist nicht gewöhnlich. Wash Still #1 und #2 werden mit 7.500 Litern gefüllt, die große #3 mit 16.000 Litern. Bei den Spirit Stills kenne ich nur die Maximalfüllmenge – Spirit Still #1 („Wee Witchie“, d.h. kleine Hexe): 7.880 Liter, #2: 8.170 Liter, #3: 8.760 Liter. Neumodische Kondensatoren gibt es hier nicht, denn die Wormtubs haben die Modernisierung überlebt. Hinter der Destillerie befindet sich eine moderne Abfertigungsstation für Lieferung von Rohmaterialen und Abholung von „Abfällen“. Gelagert wird ein kleiner Teil vor Ort in den alten Dunnage Lagerhäusern, aber der Großteil im Central Belt (Großraum zwischen Glasgow und Edinburgh). Produziert werden hier ca. 3.8 mLPA (Liter purer Alkohol).
2.81-fache Destillation
Eingeführt hat diese Art der Destillation Alexander Cowie.
- Die Hälfte der Wash aus einem Washback wird zwischen den drei Wash Stills aufgeteilt.
- Stream 1: Wash Still #3 und Spirit Still #3 funktionieren wie bei den meisten Destillerien üblich als Paar, d.h. die Low Wines aus WS#3 werden in der SS#3 ein zweites Mal gebrannt.
- Die Low Wines aus Wash Still #1 und #2 hingegen werden aufgeteilt.
- Stream 2: Die ersten 80% (heads) davon werden gesammelt und als Ladung für die Spirit Still #2 genutzt. Dort werden diese ganz normal destilliert und zu dem New Make hinzugefügt.
- Stream 3: Die nachfolgenden 20% (weak feints) sind für die SS#1 – die Wee Witchie. Die SS#1 (Wee Witchie) destilliert die weak feints drei Mal (2x Dud Run) und beim dritten Lauf werden Teile der Heads aus den Wash Stills #1 und #2 dazugegeben. Der Middlecut wird dann ebenfalls zum New Make hinzugefügt.
- In Summe (2 Spirit Stills mit 2-facher, 1 Spirit Still mit 4-facher) kommt man so rein rechnerisch auf eine 2.81-fache Destillation.
Mortlach ist nach meinem Wissen die einzige Destillerie in der es gleich drei verschiedene Produktionsstreams gibt. Stream 1 ist dabei die klassische Methode in Schottland. Stream 2 fördert die fruchtigen Noten und hat einen höheren Alkoholgehalt. Und Stream 3 überbetont die Schwefel- und Fleischnoten. Dave Broom nennt Mortlach nicht umsonst das „Beast of Dufftown„.
Die Pot Stills werden relativ schnell betrieben, ohne auszukühlen. Die Lyne Arms laufen direkt in die kalten Wormtubs. Das ist insgesamt eine sehr komplexe Produktionskonstellation, die zu viel Schwefel und „Fleischnote“ (meatiness) im New Make führt. Die „Fehlläufe“ aus der Wee Witchie bringen eine extra Portion dieser Fleischnote.
Tasting
Zum Schluss dürfen wir nicht nur die drei aktuellen Standard-Abfüllungen (12/16/20), sondern auch den 14-jährigen für den Travel Retail und die „bottle your own“ aus dem Fass (1999, 20yo) im Lagerhaus, probieren.
Als Mortlach-Fan haben mir alle fünf Drams gefallen. Meine Meinung zu den Standard-Abfüllungen von Mortlach kennen die meisten. Sie sind für den Massenmarkt konzipiert und daher sanfter, weicher und nicht so „dreckig“ mit Schwefel und Fleischnote, wofür ich meine Mortlachs so schätze. Die Fassprobe kommt diesem Ideal schon deutlich näher, kostet aber auch.
Fazit
Eine sehr schöne Tour, und endlich durfte ich eine meiner Lieblings-Destillerien nicht nur besuchen, sondern auch fotografieren. Mit Donald hatten wir einen unterhaltsamen und profunden Guide, der uns viel erklärt hat, und den auf dieser Tour mindestens drei Whisky Nerds gelöchert haben.
Eine Zusammenfassung meines Schottland Roadtrips 2019 (SRT19) findet Ihr hier mit Links auf die anderen Destilleriebesuche: SRT19 Schottland Roadtrip 2019 – Speyside, Skye und Dornoch. Oder Ihr nutzt das #Tag an dem Artikel.