SRT19: Benrinnes und die längst vergessenen Saladin Boxes
Die Destillerie Benrinnes liegt am Fuße des Ben Rinnes, einem schönen Wanderhügel mitten in der Speyside. Normalerweise kann man hier keine Touren machen. Während des Festivals bekommen wir aber nicht nur eine Destillerietour bei Benrinnes, sondern sehen Dinge die anderenorts nicht gezeigt werden oder nicht mehr vorhanden sind.
Mit Luc und Daniel bin ich wieder auf Tour. Heute dürfen wir hinter die Kulissen bei Benrinnes blicken. Andy Hitchcocks, der Distillery Manager, öffnet für uns viele Klappen und gewährt uns zusammen mit Guy Innes und Eilidh Campbell viele Einblicke.
Hintergrundwissen
Ursprünglich wurde die Destillerie als Lyne of Ruthrie 1826 von Peter MacKenzie bei der Whitehouse Farm erbaut aber bereits drei Jahre später überflutet und einige Meilen weiter an einem neuen Standort von John Innes neu erbaut. Nach einigen Besitzerwechseln, auf Grund von Insolvenz, brannte die Destillerie 1896 aus und wird komplett neu aufgebaut. Das nächste Mal wird die Destillerie 1955 von DCL von Grund auf saniert, und 1966 die Kapazität von drei auf sechs Potstills erweitert. 1964 werden die Malting Floors durch Saladin Boxes abgelöst, die bis 1984 genutzt werden. Erst 2007 wird die Produktion von dreifacher auf zweifache Destillation umgestellt. Die Destillerie gehört Diageo.
Tour durch die Produktion
Wir folgen dem Malz
Wir fangen beim Malt Intake an, denn hier wird das Malz angeliefert und gehen dann nach ganz oben, um auf den Malt Bins zu stehen. Von hier oben gibt es einen herrlichen Blick. Andy freut sich, uns alles erklären zu können, öffnet jede Maschine und erläutert uns wie sie funktioniert. Angefangen beim Destoner (der rüttelt die Steine aus dem Malz), weiter zum Dust Hopper (hier wird das Malz in Portionen abgewogen und das Risiko einer Staubexplosion gemindert), zur Porteus Mühle. Andy ist jetzt auf Betriebstemperatur und öffnet alle Klappen, veranschaulicht uns die Funktionsweise und entnimmt Proben, die er dann zu dem elektronischen Rüttelsieb bringt.
Mash House
Von hier geht es weiter ins Mash House zur Mashtun aus Edelstahl. Diese ist komplett verschlossen und am Boden sind noch ein paar Reste des letzten Batches. An den Rohren der Mashtun ist viel technisches Gerät verbaut, denn auch bei Benrinnes wird der gesamte Produktionsprozess über Computer gesteuert. An einer der Pumpleitungen befindet sich ein Sichtglas, damit der Operator prüfen kann, ob der Wort (die Würze) klar ist, bevor er in die hölzernen Washbacks gelangt. Zwei der acht Washbacks sind erneuert worden.
Still House
Im Still House sehen wir sechs Potstills. Diese arbeiten nicht paarweise, sondern zwei große Wash Stills füllen jeweils zwei kleinere Spirit Stills. Auch hier hat Diageo auf große Deckel bei den Man holes umgestellt. Die Wash Still #1 hat aus beiden Richtungen je zwei übereinander liegende Sichtfenster, damit der Operator aus beiden Richtungen einen guten Blick hat. Wir dürfen uns auch hier frei bewegen und alles aus der Nähe betrachten bevor wir uns nach draußen zu den Becken mit den Wormtubs begeben. Hier sehe ich das erste Mal ein Filtergerät vor dem Wasserzulauf der Wormtubs, welches das gesamte Prozesswasser aus dem Auffangbecken filtert. Ich habe gehört, dass hier auch schon Frösche herausgeholt wurden.
Saladin Boxes
Dann machen wir noch einen kleinen Abstecher zu den beiden Dampfkesseln von Penman bevor wir zur Hauptattraktion (für mich zumindest) kommen.
Erst vor wenigen Jahren hat man hier die alten Saladin Boxes wiederentdeckt, denn der Bereich des Gebäudes war schon seit vielen Jahren in Vergessenheit geraten. Und auch diese dürfen wir ganz aus der Nähe sehen, hindurchgehen und anfassen. Es gibt nicht mehr viele Destillerien, in denen man noch eine Saladin Box sehen kann. Als letzte Station geht es nun ins Lagerhaus und wir bekommen noch ein paar Drams.
Technische Daten
Die 6 Malt Bins fassen je 40 Tonnen. Der Destoner ist von Heid, die Mühle von Porteus. Die Edelstahl Mashtun mit Lauter Arm fasst 8,5 Tonnen Grist (20/70/10). Produziert werden 15 Mashes pro Woche, d.h. 3 pro Tag. Im Mixer (hier werden Grist und Wasser vermischt) startet die Wassertemperatur mit 64°C und wird dann mit kontinuierlichem Wasser auf bis zu 83°C erhitzt. Die klare Würze (wort) wird durch ein Sichtfenster in eines der 8 hölzernen Washbacks (38.000 Liter) geleitet.
Hinzugefügt wird flüssige Hefe und nach 80 Stunden Fermentationszeit werden ca. 8% Alkohol im „Bier“ erreicht. Die zwei Wash Stills (in der Mitte des Still Houses) haben ein Fassungsvermögen von je 22.935 Litern. Von den Wash Stills wird dann in je zwei Spirit Stills (Low Wines) Paare verteilt. Dieses ungewöhnliche Setup ist wohl der dreifachen Destillation geschuldet, die hier noch bis 2007 betrieben wurde.
Die Stills von der Empore aus gesehen von links nach rechts:
- Low Wines Still 4: 9.292 Liter (ganz links)
- Low Wines Still 3: 6.364 Liter
- Wash Still 2: 22.935 Liter (für LWS 4+3)
- Wash Still 1: 22.935 Liter (für LWS 1+2)
- Low Wines Still 1: 6.364 Liter
- Low Wines Still 2: 9.292 Liter (ganz rechts)
Je einer von sechs Operatoren betreibt die ganze Destillerie. Gearbeitet wird an fünf Tagen pro Woche und damit werden 3.5 m LPA (Liter purer Alkohol) erzeugt.
Tasting
Im Hochregal Lagerhaus warten schon drei Drams auf jeden von uns:
- Johnnie Walker, Blue Label, 40%
- Benrinnes, 15yo, Flora & Fauna, 43%
- Benrinnes, 21yo, Special Releases 2014, 56.9%, 2.892 Flaschen
Die beiden Originalabfüllungen gefallen mir, vor allem der 21-jährige. Draußen prasselt der Regen und wir unterhalten uns mit Andy, Guy und Eilidh. Ich weiß nicht, ob meine Kamera im Lagerhaus zu viel Angels Share abbekommen hat, aber irgendwie sehe ich die drei doppelt.
Ein wenig mehr Hintergrundinformationen inkl. der offiziellen Tasting Notes zum 21-jährigen findet Ihr hier: Diageo – Classic Malts – Special Releases 2014.
Fazit
Eine solche Tour bekommt man nur selten geboten und schon gar nicht bei einer sonst für Besucher nicht zugänglichen Destillerie. Die drei sind keine Saison-Tourguides, sondern arbeiten in der Destillerie und das mit Leidenschaft. Health & Safety hat Diageo auch hier ein wenig lockerer gesehen, und wir durften sogar die Saladin Boxes inspizieren. Sehr gelungene Tour!
Eine Zusammenfassung meines Schottland Roadtrips 2019 (SRT19) findet Ihr hier mit Links auf die anderen Destilleriebesuche: SRT19 Schottland Roadtrip 2019 – Speyside, Skye und Dornoch. Oder Ihr nutzt das #Tag an dem Artikel.
Und wer noch mehr Destillerien aus der Nähe sehen will, wird hier fündig: Hauptmenü -> Themen -> Destillerietouren (neueste zuerst; oder auf der Seitennavigation – alphabetisch).