Interview

Interview: Thomas Plaue zum Thema NAS

Im Rahmen meines Artikels zum Them NAS Whisky-Wissen: NAS – Whisky ohne Altersangabe habe ich Thomas Plaue gebeten mir ein paar Fragen zu beantworten. Thomas ist Master of Whisky Germany & Austria bei DIAGEO.

Thomas Plaue, Master of Whisky bei Diageo
Thomas Plaue, Master of Whisky bei Diageo

Gerade Diageo ist einer der „Trendsetter“ von vielen neuen NAS Abfüllungen. So gibt es nicht nur bei Talisker eine neue Abfüllung nach der anderen. Kürzlich ist auch bei Dalwhinnie der „Winters Gold“ neu dazugekommen. Ein Whisky der ins Eisfach gehört. Ich wollte deshalb von Thomas wissen, wie Diageo und er persönlich das Thema NAS – Whisky oder Altersangabe -sehen.

PM: Thomas, was genau ist Deine Aufgabe bei Diageo? Was macht ein „Master of Whisky“?

TP: Für Diageo arbeite ich insgesamt schon ca. 12 Jahre. Davon die letzten Drei Jahre in Festanstellung als Markenbotschafter für Whisky mit der Diageo Bezeichnung Master of Whisky. In diesem Zusammenhang bin ich für alle Tastings und Seminare, Schulungen und auch alle Messen verantwortlich.

PM: Ist alter Whisky besser als Whisky ohne Altersangabe?

TP: Ich würde nicht sagen, das alter Whisky automatisch besser ist als Flavour Led/NAS Whisky. Gleichzeitig ist NAS Whisky nicht automatisch schlechter. Jeder Konsument entscheidet doch selbst was ihm schmeckt. Eine Zahl auf dem Etikett ist dafür auch nicht immer ein Garant. Während der Lagerung passieren grundsätzlich drei Dinge: Durch die subtraktive Reifung werden unreife Aromen abgebaut. Bei der additiven Reifung werden Fasstypische Aromen vom Whisky aufgenommen. Die interaktive Reifung ist für das Zusammenspiel der Aromen, für Komplexität und Tiefe verantwortlich. Hier werden Ecken und Kanten weggeschliffen und das gesamte Zusammenspiel der Aromen harmonischer. Während die additive und subtraktive Reifung durch den Einsatz von First Fill oder Rejuvenated Fässern beschleunigt werden kann, braucht die interaktive Reifung tatsächlich Zeit. Wir nutzen daher für unsere Flavour Led Whisky jüngere First Fill oder Rejuvenated Fässer und kombinieren die mit älteren Refill Fässern. Das ergibt am Ende einen geschmackvollen und ausgewogenen Whisky.

PM: Gibt es eine Differenzierung bei NAS? Sog. „Standardabfüllungen“ vs. „Sondereditionen“?

TP: Wir nutzen Flavour Led Whisky zumeist als Erweiterung des Portfolios einer Brennerei. Außerdem steuern wir dadurch die Verfügbarkeit unserer Whisky in bestimmten Kanälen. Standards mit Altersangabe sind immer weniger verfügbar. Sie sind zukünftig nur noch im Fachhandel zu bekommen (Singleton of Dufftown 12 Jahre, Talisker 10 Jahre). Um dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) eine Alternative bieten zu können, gibt es hier die besser verfügbaren Flavour Led. Wichtig ist dabei, diese nicht als alterslose Kopie des Standards zu sehen, sondern als eigenständige Abfüllung.

Zu Sondereditionen gibt es hier natürlich eine Differenzierung. Diese werden in der Regel nur einmal im Jahr und in streng limitierter  Auflage abgefüllt. Zudem haben diese Abfüllungen oft eine natürliche Fassstärke, sind nicht filtriert und nicht gefärbt. Diese Whisky wird es dieser Form nicht wieder geben. Das Alter nicht zu benennen ist hierbei nur konsequent.

Es gibt einige NAS, die es zur Standardabfüllung geschafft haben wie z.B. der SKYE. Diese Abfüllungen werden vom Markt akzeptiert und zu einem vernünftigen Preisleistungsverhältnis (PLV) angeboten.

PM: Warum werden Sondereditionen zu einem deutlich höheren Preis angeboten? Sind die besser? Ich könnte mir vorstellen, dass diese „Kleinserien“ teurer in der Herstellung sind, aber dies dürfte nur einen kleinen Preisunterschied ausmachen.

TP: Sondereditionen sind wie der Name das schon sagt einmalige Sonderabfüllungen. Für Sammler macht die Exklusivität auch oft den Wert aus und nicht allein die Herstellungskosten. Und wie so oft bestimmt die Nachfrage den Preis. Weltweit 3.000 Flaschen sind bei der wachsenden Zahl von Whisky Liebhabern verschwindend gering. Ob diese Abfüllungen besser und, oder ihren Preis wert sind, muss jeder für sich selbst entscheiden.

PM: Warum stellt Diageo bei immer mehr Destillerien (z.B. Talisker, Dalwhinnie) NAS Whiskys her und nicht nur Whisky mit Altersangabe? Und warum werden dafür teilweise die „Einsteigerwhiskys“ vom Markt genommen? Nur damit „jüngerer Whisky“ teurer verkauft werden kann?

TP: Zum aktuellen Zeitpunkt hat Diageo keine Standardabfüllung eingestellt oder vom Markt genommen. Lediglich die Verfügbarkeit kann von Kanal zu Kanal variieren. Da Flavour Led die Zukunft im Whisky Business ist, ist es nur konsequent, neue Abfüllungen ohne eine Altersangabe auf den Markt zu bringen. Diese werden nach den gleichen Standards, mit den gleichen Ausgangsmaterialien und den gleichen handwerklichen Fertigkeiten hergestellt, wie Whisky mit einer Zahl auf dem Etikett. Das darin nur sehr junge Whisky zum Einsatz kommen ist ein weit verbreitetes Vorurteil. Natürlich kommen in NAS jüngere Whisky zum Einsatz. Das ist notwendig, um die wachsende Nachfrage zu decken. Diese werden, zumindest bei Diageo, aber immer auch mit deutlich älteren vermählt. Die Jungen bringen Kraft und Charakter und die Älteren Ruhe und Komplexität. Die Einsparung bei der Lagerung werden durch die öftere Aufarbeitung der Fässer für die jüngeren Whisky mehr als relativiert. Außerdem sind die Flavour Leds nicht zwangsläufig teurer. Singleton Spey Cascade ist auf einem ähnlichen preislichen Niveau wie Singleton 12 Jahre. Genauso auch bei Talisker Skye und 10 Jahre. Dalwhinnie Winters Gold und Oban Little Bay haben einen anderen Ansatz und sind noch mehr eigenständige Abfüllungen. Das bedeutet natürlich auch eine eigene Preisstruktur.

PM: Woran können sich die Konsumenten bei NAS Whiskys zukünftig orientieren? Welche Qualitätsmerkmale gibt es (ausser dem Master Blender und die Distillery)?

TP: Orientierungspunkte gibt es mehr als genug. Land und Region sind hier zunächst die wichtigsten. Einsteiger sind mit Islay oft überfordert. Darüber hinaus gibt jeder Hersteller zumindest grob die Hauptaromen auf der Flasche oder der Verpackung an. Weiterhin sind Aromamaps sehr hilfreich. Diese findet man immer häufiger in der Nähe von Whiskyregalen und bieten einen guten Überblick über Whisky die geschmacklich um den Lieblingswhisky angesiedelt sind. Das wichtigste Qualitätsmerkmal ist jedoch die eigene Zunge. Es gibt unzählige Möglichkeiten, neue Whisky zu entdecken, Messen, Tastings und Seminare, diverse Foren und Blogs. Viele Händler bieten inzwischen auch die Möglichkeit einen Whisky vor dem Kauf zu probieren. Kennt man eine Destillerie bereits, lohnt sich ein neuer Whisky der Brennerei meistens. Originalabfüllungen bieten hier meist eine langfristige Sicherheit einen Whisky auch in Zukunft wieder kaufen zu können.

PM: Wie steht Diageo zum Thema „Transparenz“? Würde es dem Konsumenten helfen, wenn die prozentuale Verteilung des Alters im Batch transparent wäre (siehe Compass Box Campaign, Bruichladdich)?

TP: Ich sehe keinen Sinn darin, jedes Detail bis ins kleinste preiszugeben. Erstens verändert sich die Zusammensetzung von Batch zu Batch. Zweitens sagt das gar nichts über die Aromen im Whisky aus. Drittens kann der Großteil der Standardkonsumenten mit diesen Infos eh nichts anfangen. Und am Ende geht doch damit auch wieder ein wenig vom Reiz und der Mystic dieser Spirituose verloren. Und wenn wir damit anfangen, kommt irgendwann die Frage nach der verwendeten Gerste, PPM Gehalt Phenol, Clear oder Cloudy Wort, Hefe und Gärtemperaturen, Gärdauer, Brenntemperatur und Temperaturkurve, Airrest etc. All diese Informationen helfen am Ende auch nicht, zu wissen, ob mir ein Whisky schmeckt oder nicht. Und darauf sollte es doch ankommen.

Vielen Dank für dieses Interview, Thomas. Das waren einige sehr wichtige Hinweise und neue Denkanstöße.