Whisky-WissenInterview

Whisky Aromen auf der Spur – Interview mit Dr Bill Lumsden

Die vielen verschiedenen Whisky Aromen sind der Grund, warum ich von Single Malt Scotch Whisky so fasziniert bin. Über die Jahre habe ich viel gelernt und bin dem einen oder anderen Geheimnis auf die Spur gekommen. Macht es einen Unterschied, woher das Malz stammt oder wo die Fässer gelagert werden? Terroir matters sagen die einen, aber was sagen Dr Bill Lumsden und Brendan McCarron dazu? Nun, ich habe sie gefragt.

Nicht allzu oft hat man die Möglichkeit, mit einem der renommiertesten Whisky-Experten gleich mehrere Tage und Abende zu verbringen. Es war nicht nur eine sehr angenehme und unterhaltsame Zeit während meines Besuches bei Glenmorangie (Blick hinter die Kulissen: Glenmorangie sieht für eine Woche „schwarz“), sondern auch eine sehr lehrreiche. Dr Bill Lumsden und Brendan McCarron haben mir sehr viele Fragen beantwortet und mir ihre Meinung zu einigen Mythen verraten. Die beiden gehören zum Whisky Creation Team.

Das Whisky Creation Team von Ardbeg & Glenmorangie

Das WCT (Whisky Creation Team) ist die Keimzelle eines jeden neuen Whiskys bei Ardbeg oder Glenmorangie (A&G). Damit Ihr ein wenig Einblick zu dem „öffentlichen“ Teil des WCT bekommt, habe ich einige Hintergrundinformationen zusammengetragen.

Das WCT ist für die tägliche Produktion bei Ardbeg und Glenmorangie zuständig. Dabei kümmert sich das Team auch kontinuierlich um Innovation und neue Experimente. Aber nicht nur um die Produktion, sondern auch um die Öffentlichkeit müssen sich vor allem die folgenden drei Personen kümmern:

Das WCT

Dr Bill Lumsden

Bill ist Director of Distilling, Whisky Creation & Whisky Stocks und damit der Chef aller Mitarbeiter in der Produktion bei Glenmorangie und Ardbeg und auch der Chef des WCT. Bill hat seinen Doktor (PhD) in Biochemie abgeschlossen. Er ist bekannt für seine bahnbrechenden Techniken beim Wood Management und seinen Experimenten mit außergewöhnlichen Fässern. Bei Glenmorangie hat Bill das „Finishing“ perfektioniert nachdem er es wieder belebt hat. Eine seiner Pionierleistungen ist die Nutzung von Chocolate Malt in der Scotch Whisky Industrie. Für mich ist er einer der Experten beim Thema Whisky Aromen.

Brendan McCarron

Brendan ist Head of Maturing Whisky Stocks und arbeitet eng mit den beiden Distillery Managern zusammen. Er hat seinen Abschluss in Chemie Ingenieurwesen (Chemical Engineering) gemacht, bevor er beim Design von Roseisle mitgeholfen, Oban Distillery gemanaged hat und dann als Group Manager für Lagavulin, Caol Ila und Port Ellen Maltings zuständig war. Nun ist Brendan für die Qualität des Spirits/Whiskys bei Ardbeg und Glenmorangie verantwortlich. Eine seiner vielen Aufgaben ist die sensorische Prüfung von New Make und gereiften Whiskys. Unter anderem hat er mit Bill den neuen Signet komponiert.

Gillian MacDonald

Gillian ist seit 2012 Head of Analytics & Whisky Creation. Ihren Abschluss 2002 in Chemie („Chemistry with Industrial Experience“) hat sie mit Auszeichnung abgelegt („First Class Honours“) und war für The Welsh Whisky Company als Distiller und Blender tätig. Ihr Aufgabengebiet deckt alle sensorischen und analytischen Aspekte bei der Whiskyherstellung ab. Gillian findet man häufig im Labor bei der Entwicklung neuer Methoden, um neue Aromenprofile zu kreieren. Auch das Blending unter Laborbedingungen gehört zu ihren Aufgaben.

In dem Team gibt es noch ein paar weitere fleißige Helfer, die aber nicht unbedingt in die Öffentlichkeit gezerrt werden wollen. Ein neuer Whisky benötigt eine ganze Reihe von Meinungen. Auch die Brand Ambassadore und die beiden Distillery Manager Andy Macdonald (Glenmorangie) und Michael „Mickey“ Heads (Ardbeg) werden natürlich mit einbezogen.

Whisky Aromen – Mythen und Geheimnisse

Viele der „Basiscs“ habe ich bereits hier beschrieben: Whisky-Wissen für Einsteiger. Aber trotz vieler Gespräche mit vielen Experten aus der Whiskyindustrie gibt es unterschiedliche Meinungen und persönliche Überraschungen. Zu den persönlichen Überraschungen gehören immer wieder ungewöhnliche Abfüllungen, die nicht dem Fass zuzuschreiben sind, sondern einer anderen Komponente im Fertigungsprozess. Das wirft bei mir dann Fragen auf, ob das Gelernte vielleicht doch zu hinterfragen ist.

Bill und Brendan haben mir bei unzähligen Möglichkeiten während meiner Reise zu einigen meiner Fragen bezüglich Whisky Aromen ihre Meinung und Erfahrung verraten.

Malz – machen der Ort oder die Sorte einen Unterschied?

Die einen schwören darauf, dass das Malz nur aus Schottland kommen darf oder sogar nur aus der näheren Umgebung der Destillerie. Andere sagen und beweisen sogar, dass jedes einzelne Feld einen Unterschied macht. Es werden verschiedene, meist alte Gerstensorten genutzt, um sich von der Masse der Produzenten abzuheben. Auch Glenmorangie experimentiert mit alternativen Gersten wie z.B. der alten Sorte Maris Otter (Neue Glenmorangie Private Edition: Tùsail).

Heutzutage sind alle großen Brennereien darauf aus, möglichst viel Alkohol aus der gleichen Menge eingesetzter Gerste zu produzieren. Deshalb gibt es immer wieder neue Züchtungen, die sich für einige Jahre halten. Wer sich dafür interessiert, kann sich hier weiter mit den verschiedenen Sorten und ihrer Verbreitung auseinandersetzen: Scottish Barley Variety Database. Insgesamt schreibt man dem Fass zwischen 70-80% der Aromenprofile (Aroma und Geschmack) zu und dem Malz den geringsten Anteil daran.

Davon war ich auch überzeugt, bis ich beim Spirit of Speyside Festival 2017 die Tormore4 kennenlernen durfte (Schottland Roadtrip 2017 – 20 Destillerietouren in 14 Tagen). Mark Newton ist u.a. ein unabhängiger Whisky Journalist aber er unterstützt auch Renegade Spirits (Waterford/Mark Reynier). Ein weiteres Mitglied und Co-Autor von Mark bei Malt Review ist Jason (auch JJ oder Whisky Rover), der hier über unsere gemeinsame Erfahrung mit New Make Samples mit derselben Gerste von unterschiedlichen Feldern berichtet: The Waterford Experiment (malt-review.com). Die Kurzfassung: JA, es gibt einen deutlichen Unterschied (im New Make).

Whisky Aromen - Dr Bill Lumsden beantwortet meine Fragen
Dr Bill Lumsden hier im Lagerhaus von Glenmorangie

Meine Frage an Bill: Wie groß ist der Einfluss der Gerste am Ende der Reifezeit noch?

Bereits vor dem Interview habe ich mit Bill über das Waterford Experiment diskutiert. Bill teilt die Meinung mit dem „Terroir“ nicht und macht mir klar, dass er den Farmern einen größeren Einfluss zuschreibt als dem (leicht) unterschiedlichen Land auf dem die Gerste wächst. Es ist also mehr das Können und Wissen des Landwirtes, der am Ende ein hoch qualitatives Korn produziert, das möglichst viel Stärke (wird zu Alkohol), aber eben auch Aromen für die Whiskyherstellung bereit hält.

Bill: „You start of with your new make spirit and it is quite delicate. So by it’s very nature other flavours might come in and dominate. So we might have the impression of getting more from the cask rather than that being actual the case. But you are making a judgement you can’t actually measure in terms of your own sensory perception where it is coming from. So it’s a bit of a unexact science, a bit of a guess.

So if you remember Tusail. This was made by floor malted Maris Otter barley. I feel there is a difference in the final product, but the difference in the new make spirit was much more easy to detect than it was in the final product. This was the reason why I matured it in first fill and second fill bourbon casks. If I would have put this in sherry casks you would never have picked up the difference.

Das ist für mich eine neue Sichtweise, aber sie ist nachvollziehbar. Es sind nicht mehr oder weniger Aromen, sondern es sind leichte Aromen am Anfang der Produktionskette und dominantere an ihrem Ende. Wenn man diese durch die richtige Fasswahl berücksichtigt, kann man unterscheidbare Abfüllungen kreieren.

Bill, wie groß ist der Einfluss von Gerste am gesamten Produktionsprozess Deiner Meinung nach?

Bill: „It’s our main raw material. Over the years I have experimented with so many different barley varieties and really the difference in the spirit at the end of the day is very very small. So the barley is clearly giving as a lot of the basic flavours but wheter it is scottish barley, english barley, german barley, danish barley I don’t think there is an aweful lot of difference coming from that.

Wo die Gerste gewachsen ist, scheint für das Aromenprofil keine große Rolle zu spielen. Bei dem ein oder anderen Whiskyliebhaber spielt es aber zumindest eine sentimentale Rolle.

Produktion – welchen Einfluss nimmt man bei der Produktion?

Ähnlich wie bei der Gerste verhält es sich auch bei den nächsten Produktionsschritten. Auch hier können zusätzliche Aromen entstehen oder beeinflusst werden. Angefangen durch das Trocknen der Gerste (Kilning). Wird dabei Torf verwendet, hat man einen deutlichen Einfluss ausgeübt, den man je nach Stärke (gemessen in ppm, parts per million) auch nicht mehr so leicht mit noch dominanteren Aromen überdecken kann. Beim Mashing wird das Aroma meist durch schnelles oder langsameres Ablassen durch den Mash Filterboden beeinflusst. Bei der Fermentation kann man vor allem durch die Dauer, evtl. Kühlung und die Auswahl der Hefe zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Und dann gibt es natürlich noch die Brennblasen und die „cut points“. Aber in Summe macht das nur einen Unterschied von maximal 20-30% aus.

Meine Frage an Bill: Wie groß ist der Einfluss der restlichen Produktionsschritte?

Bill: „There is no question that some of the things I’m doing during primary production wheter it be malting or kilning or mashing or fermentation the change you make there is highly up there and you pick it up in the new make spirit after destillation. After 10 years maturation this difference is much more difficult to detect because there is so much flavour from the wood. Most of the so called innovation in the Scotch Whisky Industry over the last 20 years has been as a result of different barrel types. Most of us have been experimenting at the primary production end so you are going to seeing a little bit more of that coming trough. Your next years Glenmorangie Private Edition PE 10 is much more to do with primary production.

Ein wenig hat Bill dann doch noch aus dem Nähkästchen geplaudert, aber das soll noch eine Überraschung bleiben.

Lagerung – macht es einen Unterschied, wo das Fass gelagert wird?

Das Thema Fass und Lagerung habe ich mit Brendan bei dem ein oder anderen Glas Whisky diskutiert. Natürlich entwickelt sich jedes Fass je nach Lagerart und Standort etwas unterschiedlich. Aber im großen und ganzen scheint auch hier der Unterschied nicht so gravierend zu sein. Laut Brendan spielt es keine große Rolle, ob der Whisky in einem Fass im Hochregallager, Palettenlager oder in einem Dunnage Lagerhaus reift. Stehend oder liegend hat ein wenig, aber nicht viel Einfluss. Eine Reifung an der Küste oder am Central Belt macht ebenso wenig einen großen Unterschied für das spätere Aromenprofil aus.

Das war für mich so überraschend, dass mir eigentlich nur noch eine Frage einfiel: WARUM lagert Ihr dann noch Whisky bei Ardbeg auf Islay und nicht alles in mehreren Zentrallagern auf Paletten? Nun, die Antwort fiel verblüffend einfach aus: Weil die Leute vor Ort sehr stolz auf Ihr Produkt sind und wir dieses Engagement respektieren.

Fazit

Vor allem der Teil zur Lagerung hat meine schöne heile Whisky Märchenwelt ein wenig erschüttert. Ich fotografiere sehr gerne in alten Dunnage Warehouses und auch ein Tasting in solchen ist ein tolles Erlebnis. Dass dies alles keinen großen Einfluss auf das Produkt hat, stimmt mich nachdenklich und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich mich dieser Meinung anschließen kann. Wie kann man das herausfinden? Einen solchen Lagerzyklus selbst auszuprobieren ist aktuell zumindest keine Lösungsoption für mich. Aber ist dieses ganze „tamtam“ dann nur reines Marketinggetöse? Ich werde weitere Experten zu diesem Thema befragen und ich weiß jetzt schon, dass es dazu viele (Marketing?) Meinungen geben wird.

Eines habe ich auf meiner Stippvisite zu Glenmorangie gelernt: jede Differenzierung im Produktionsprozess kostet Zeit (weil z.B. die Produktionsanlage gereinigt werden muss) und Geld (Verlust in der Produktionsmenge). Ich bin aber froh, dass es Brennereien wie Glenmorangie gibt, die solche Experimente durchführen und uns an den Ergebnissen teilhaben lassen. Aber vor allem bin ich froh, dass es Bill und sein WCT gibt. Sie sind anders als andere, „ticken“ etwas anders und bereichern trotz der häufig gehörten „Marketing-Kritik“ doch die Whiskyszene ungemein.

Danke Bill und Brendan für diesen Einblick!