Destillerietour

St. Kilian Destillerie 2024 – Whisky-Handwerk nach schottischem Vorbild

Endlich hat es geklappt – mein Besuch bei der St. Kilian Destillerie! Vor Ort konnte ich nicht nur einen Blick hinter die Kulissen von Deutschlands Whisky-Brennerei mit den größten Pot Stills werfen, sondern auch die Macher persönlich kennenlernen. Spannende Einblicke, besondere Drams und ein Plan für meinen nächsten Besuch – mehr dazu im Bericht.

Hintergrundwissen zur St. Kilian Destillerie

Der Name „St. Kilian“ geht auf den irischen Missionar Kilian zurück, der im 7. Jahrhundert mit seinen Gefährten Kolonat und Totnan ins Frankenland kam. Neben dem Christentum brachten sie auch das Wissen um die Destillation mit. Die Legende besagt, dass sie ihren Gerstenbrand mit dem Wasser des Ottilienbrunnens in Rüdenau mischten – dem heutigen Standort der Destillerie.

Viele Jahrhunderte später später griffen drei Männer mit einer gemeinsamen Vision diese Verbindung wieder auf. Der Unternehmer und Whisky-Sammler Andreas Thümmler, der irische Whisky-Experte David F. Hynes und der deutsche Braumeister Mario Rudolf bauten St. Kilian mit dem Ziel auf, einen Single Malt Whisky nach schottischem Vorbild in Deutschland zu produzieren.

  • Andreas Thümmler stammt aus Miltenberg und machte sich als Technologie-Investmentbanker einen Namen. Seine Leidenschaft für Whisky führte ihn dazu, eine eigene Destillerie zu gründen.
  • David F. Hynes brachte jahrzehntelange Erfahrung aus der irischen Whisky-Industrie mit, unter anderem von Cooley Distillery. Er war maßgeblich an der Planung und technischen Umsetzung der Brennerei beteiligt.
  • Mario Rudolf, studierter Braumeister aus Amorbach, ist Technischer Leiter, Master Distiller, Master Blender und verantwortlich für Fasseinkauf sowie Rezepturen. Mario kam 2015 dazu und durfte alles mit aufbauen.

2012 begannen die Planungen für die St. Kilian Destillerie, und am 7. April 2016 wurde das erste Fass befüllt – Fass Nr. 1, ein ungetorfter Whisky in Pfälzer Eiche. Fünf Jahre später, am 14. April 2021, wurde dieses als Solera-Fass in die Reifung integriert. 2019 folgte mit dem „First Kilian“ der erste dreijährige Single Malt Whisky.

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Neben den regelmäßig erscheinenden Signature Editions sind mittlerweile auch zwei Standardabfüllungen im Sortiment: ein milder und ein rauchiger Single Malt. Zudem hat St. Kilian mit den Blended WhiskysBud Spencer“ und „Terence Hill“ neue Zielgruppen erschlossen. Während beide Abfüllungen deutschen Whisky mit irischem Whisky kombinieren, enthält nur der „Terence Hill“ neben Pot Still-Whisky auch einen kleinen Anteil Grain Whisky. Für die Blends verwendet St. Kilian Single Malt und Peated Single Malt von der Great Northern Distillery.

Das Portfolio umfasst darüber hinaus auch Liköre, die auf den preisgekrönten New Makes und Single Malts basieren. Hier reicht die Auswahl von fruchtig-frisch über cremig-süß bis würzig. Ergänzt wird das Sortiment durch einen Gin.

Tour durch die Produktion der St. Kilian Destillerie

Am Ende unseres Urlaubs im September 2024 entscheiden wir uns spontan für einen Umweg über Miltenberg – endlich klappt es mit einem Besuch bei der St. Kilian Destillerie! Maren interessiert sich nicht für Whisky, aber Miltenberg hat auch für sie genug zu bieten. Perfekte Lösung für uns beide.

Ich habe uns für eine Tour angemeldet, und Udo erwartet uns bereits. Bevor es losgeht, nimmt sich Andreas Thümmler noch kurz Zeit für ein Gespräch – und einen ersten Whisky mit mir. Ich bin gespannt, auch wenn ich die Destillerie bereits aus virtuellen Rundgängen kenne.

Udo, ein echter Whisky-Nerd mit tiefem Produktionswissen, will mir nicht einfach den Standard-Rundgang bieten. Stattdessen zeigt er uns die Besonderheiten von St. Kilian im Vergleich zu schottischen Brennereien – und davon gibt es einige! Wir starten draußen vor den drei Malzsilos und gehen dann ins Gebäude. Vorbei an der Mühle und dem „Hot Liquor Tank“ landen wir im Nebenraum, wo wir die Washbacks nicht nur von oben, sondern auch von unten sehen können. Dahinter – gut gesichert hinter einer verplombten Tür – liegt der New Make Spirit Tank. Auf dem Weg fallen uns die unzähligen Kabel auf: ganze 120 km Mess- und Steuerkabel sind hier verlegt.

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Über eine Treppe erreichen wir die Gitterplattform mit Blick auf die beiden Pot Stills von Forsyth. Doch zuerst zeigt uns Udo die Mashtun mit ihrem Kupferdeckel und die vier Washbacks. Hier offenbart sich eine Besonderheit: Die Washbacks sind mit Kühlplatten ausgestattet, sodass die Temperatur der Wash reguliert werden kann – ungewöhnlich für eine Whisky-Destillerie.

Dann stehen wir direkt vor den beiden Stills. Die Spirit Still befindet sich in einem Glaskäfig – ein Muss für eine deutsche „Verschlussbrennerei“. Normalerweise hat nur der Zoll Zugang, aber für Notfälle gibt es einen Schlüssel – jede Nutzung muss natürlich sofort gemeldet werden.

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Ein weiteres technisches Detail: Die Spirit Still hat einen einstellbaren Reflux. Je nach Einstellung kann kaltes Wasser zugeführt werden, um den Alkoholdampf gezielt zurück in die Still zu leiten und so das Destillatprofil zu beeinflussen. Auch der Spirit Safe ist in den Glaskasten integriert, doch die Bedienelemente sind verlängert, sodass eine Probenentnahme problemlos möglich ist.

Weiter geht es hinunter zur Abfüllstation. Hier wird der New Make aus dem Sammeltank direkt in die Fässer gefüllt. Eine echte Rarität: Auf dem Weg dorthin durchläuft der New Make eine mechanische Alkoholuhr – von diesen gibt es nur noch wenige. An dieser Stelle gesellt sich Mario zu uns und gibt weitere Einblicke.

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Danach zeigt uns Udo das kleine Fasslager. Neben privaten Fässern lagern hier einige echte Raritäten: Fass #1, Mizunara-Fässer und andere außergewöhnliche Fässer, die man so nicht oft sieht.

Nach einem kurzen Treppenaufstieg landen wir im Tastingraum – mit internationaler Flaschensammlung und zehn St. Kilian-Fässern. Die Fässer sind zur Probe für Fassinteressenten der Private Casks. Distillery Exclusives als Fass – vom Feinsten! Zurück an der Theke gesellt sich Mario wieder zu uns. Ein paar Drams und ein spannendes Gespräch später machen wir uns mit etwas mehr Gepäck auf den Weg zur Unterkunft. Miltenberg muss bis morgen warten – aber der Abstecher hat sich definitiv gelohnt.

Die Produktion bei der St. Kilian Destillerie – Zahlen, Technik & Besonderheiten

Die drei Malzsilos fassen zusammen maximal 53 Tonnen: zwei à 21 Tonnen, eines mit 11 Tonnen. Das milde Malz stammt von Weyermann, das rauchige Malz von Glenesk in Schottland. Gemahlen wird in einer Bühler-Mühle im ungewöhnlichen Verhältnis 10/82/8 (Husks/Grits/Flour) – im Vergleich zu den üblichen 20/70/10 in Schottland. Pro Maischevorgang werden 2,2 Tonnen Malz verarbeitet.

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Die Mashtun hat ein Volumen von 12.000 Litern. Nach vier Wassergaben (64,5°C, 72–75°C, 82–85°C, 90°C) landen 10.800 Liter Würze in einem der vier hölzernen Washbacks von JB Brown Vatts (Dufftown). Diese wurden im Stück angeliefert. Eine Besonderheit: Die Washbacks sind temperierbar. Als Hefe wird M1 eingesetzt, die maßgeblich zum Brennereicharakter beiträgt. Die 3 Meter hohen Washbacks sind zudem mit Switchern ausgestattet. Die Fermentationszeit beträgt mindestens 66 Stunden bei 31,5 bis 32,0°C Fermentationstemperatur (obergärig). Bis zu maximal 14 Batches pro Woche könnten verarbeitet werden (24×7, 3-Schicht).

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Die beiden Pot Stills (Wash Still & Spirit Still) haben jeweils ein Volumen von 6.000 Litern. Die Wash Still destilliert die ca. 8% ABV Wash auf rund 21% ABV, bevor die Spirit Still das Destillat auf den finalen Alkoholgehalt bringt. Der Cut Point 1 liegt bei grob 72% ABV, der Cut Point 2 bei grob 60% ABV. Vor- und Nachlauf der vorherigen Brennvorgänge werden jeweils mitdestilliert. Der gelagerte New Make wird mittels Alkoholuhr gemessen und vor der Fassbefüllung auf 63,5% ABV verdünnt. Früher war das Verhältnis unpeated zu peated 50:50, aber mittlerweile hat es sich in Richtung 80:20 entwickelt.

Die max. Kapazität der Anlage liegt bei 630.000 LPA bei einer Produktion 24/7 im 3-Schicht-Betrieb. Mit Erweiterungen wäre noch mehr möglich. 2024 wurden 70.000 LPA produziert. Das stärkste Jahr war bisher 2021 mit 280.000 LPA. Heute arbeiten drei Distiller in der Produktion, 2 Mitarbeiter in der Flaschenabfüllung, 2 Produktionshelfer. Darüber hinaus gibt es drei Master Distiller. Insgesamt arbeiten 60 Personen bei der St. Kilian Destillerie – davon 45 in Vollzeit.

Das kleine Fasslager vor Ort dient vor allem privaten Casks und besonderen Fässern. Der Großteil der Fässer lagert in der „Bunker City“ – einem ehemaligen NATO-Munitionslager mit 120 Bunkern. St. Kilian nutzt derzeit 21 Bunker, von denen jeder ca. 600 Fässer fasst. Insgesamt lagern dort etwa 10.500 Fässer.

Master Distiller Mario Rudolf hat eine besondere Leidenschaft für Fass-Experimente. St. Kilian dürfte die Brennerei mit der weltweit größten Vielfalt an Fasstypen sein – zuletzt waren es über 392 verschiedene, und die Zahl wächst stetig.

Fazit meiner Tour durch die St. Kilian Destillerie

Der Besuch bei St. Kilian war spannend und informativ – die Zeit verging wie im Flug. Besonders schön war es, Andreas, Mario, Kai und Udo endlich persönlich kennenzulernen.

Ein kleiner Wermutstropfen: Ein Abstecher in die Bunker City war so kurzfristig leider nicht machbar. Aber das steht definitiv noch auf meiner Liste – vielleicht beim nächsten St. Kilian Whisky Festival Ende Juni.

Viele der Whiskys kannte ich bereits aus den Online-Tastings, doch vor Ort gab es trotzdem noch einige besondere Entdeckungen. Ein lohnender Stopp – nicht nur für Whisky-Fans!

Vielen Dank an das ganze Team für den angenehmen Nachmittag!

St. Kilian 2024

Unser Besuch bei St. Kilian am 24.09.2024
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