SRT24 – Ardnahoe Distillery: Ein Rundgang und die Premiere des ersten Whiskys
Mitten auf Islay, umgeben von rauer Natur und atemberaubenden Ausblicken, liegt die Ardnahoe Distillery. Bei unserem Besuch wurde nicht nur der Herstellungsprozess des Whiskys greifbar, sondern wir durften auch ein ganz besonderes Highlight erleben: den allerersten Whisky der jungen Brennerei, der am 10. Mai 2024 das Licht der Welt erblickte. Mit viel Enthusiasmus führte uns Billy Sinclair durch die Destillerie. In diesem Artikel nehme ich Dich mit auf unseren Rundgang durch Ardnahoe – inklusive einem ersten Schluck des brandneuen Whiskys.
Hintergrundwissen
Die Geschichte der Ardnahoe Distillery beginnt 2013, als Stewart Laing gemeinsam mit seinen Söhnen Andrew und Scott die Firma Hunter Laing & Co. Ltd gründete, ein in Glasgow ansässiger Abfüller und Blender von Scotch Whisky. Für die Familie Laing war dies der perfekte Zeitpunkt, um einen lang gehegten Traum zu verwirklichen: die Produktion ihres eigenen Whiskys.
Mit einer familiären Whisky-Tradition, die bis in die 1940er Jahre zurückreicht – Stewarts Vater gründete damals ein eigenes Unternehmen für Blending und Abfüllung – und über 50 Jahren Erfahrung in der Whiskyindustrie war die Grundlage gelegt, um eine eigene Brennerei zu errichten. Die Entscheidung, die neue Destillerie auf Islay zu errichten, fiel aufgrund der besonderen Verbindung der Familie zur Insel und ihrer Faszination für Islays torfige Malzwhiskys.
2015 fanden sie das perfekte Grundstück am Loch Ardnahoe im Nordosten der Insel. Nach dem Kauf des vier Hektar großen Geländes und der Erteilung der Baugenehmigung begannen die Bauarbeiten für die neunte Islay-Brennerei Ende 2016.
Die ersten Destillationen liefen im Oktober 2018, und am 9. November 2018 wurde das erste Fass mit dem Nummer 001 befüllt. Damit ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Am 10.05.2024 ist das „Inaugural Release“ (also die erste Abfüllung) erschienen. Distillery Manager ist seit Juli 2024 David Livingstone.
Tour durch die Produktion
Wir sind auf der wunderschönen Single Track Road zu Bunnahabhain unterwegs, denn heute ist Bunnahabhain Open Day. Da Ardnahoe auf dem Weg liegt, dachten wir uns: Warum nicht einen Abstecher machen? Also haben wir uns kurzerhand entschieden, erst Ardnahoe zu besuchen und dann zu Fuß weiter nach Bunnahabhain zu laufen. Als Mitglieder der „Ardnahoe Society“ ist unsere Tour kostenlos – Mitglied kann jeder kostenlos werden.
Unser Taxi bringt uns pünktlich zur Ardnahoe Distillery. Am Besucherzentrum angekommen, genießen Karsten, Michael und ich erst einmal die Atmosphäre im Shop, während wir auf den Start der Tour warten. Der Blick schweift über die Regale voller Whisky, hauptsächlich von Hunter Laing, denn eigenen Whisky gibt es erst seit Kurzem.
Dann geht es los! Billy Sinclair, unser Tourguide, empfängt uns mit einem Lächeln und führt uns in die Produktionsräume. Wir passieren eine altehrwürdige Bobby Mühle und gelangen in den Mashtun Room. Der kupferne Deckel der Mashtun glänzt im Halbdunkel, während Billy uns die Details der Whiskyproduktion näherbringt. Wir dürfen auch einen Blick in die Mashtun werfen.
Von dort aus geht es weiter zu den Washbacks und schließlich in die Produktionshalle, wo zwei mächtige Stills auf ihren Einsatz warten. Aber das wahre Highlight erwartet uns am Ende der Halle: Der Ausblick über den Sound of Islay hinüber zu Jura und den markanten Paps of Jura ist atemberaubend. Hier könnte man Stunden verbringen, einfach nur schauen und staunen.
Direkt vor dem Stillhouse zeigt uns Billy zwei Worm Tubs, die wir schon vom Parkplatz aus erspäht hatten. Für jede Brennblase gibt es eines, und darüber hängen Spiegel, die es ermöglichen, einen Blick ins Innere der Worms zu werfen – ein cleveres Detail, das ich bisher noch nirgends gesehen habe.
Nach der Tour folgt natürlich das Beste: die Verkostung. In einem kleinen Raum neben dem Shop lässt Billy uns zwischen zwei Whiskys wählen: dem gerade erst erschienenen Inaugural Release oder einem Distillery Exclusive direkt aus dem Fass. Klar, dass wir uns für die Fassprobe entscheiden! Mit unseren Gläsern in der Hand setzen wir uns ins Café, genießen die Aussicht vom Balkon und gönnen uns noch einen Kaffee – der perfekte Abschluss.
Bevor wir gehen, werfen wir noch einmal einen Blick in den Shop. Hier gibt es auch „Bottle Your Own“-Flaschen, doch aktuell stammen die Fässer noch von Hunter Laing, dem Besitzer der Brennerei, und nicht von Ardnahoe selbst. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis der erste eigene Ardnahoe Whisky als Bottle your Own abgefüllt werden kann. Oder vielleicht bleibt es auch so – wer weiß das schon?
Technische Daten der Ardnahoe Distillery
In den 4 Malt Bins lagern jeweils bis zu 15 Tonnen Malz. Die werden mit einer alten Bobby Mill aus den 1920ern in Batches von 2,5 Tonnen gemahlen. Der „Weigher“ (oder auch „weygher“) misst dabei Pakete von 40kg. Das „peated barley“ kommt von Port Ellen Maltings mit denselben Spezifikationen wie Ardbeg, Lagavulin und Caol Ila (mit 40 PPM). Dieser Wert passt am besten zu den gewählten eigenem Profil von Ardnahoe. Es gibt auch Batches mit 80 PPM, 150 PPM und ungetorftem Malz. Ca. 90% der Produktion sind „peated“.
In der 2,5 Tonnen Mashtun werden 3 Wasser genutzt (1: 10.500 Liter, 68°C, 1h; 2: 3.500 Liter, 80°C sprayed; 3: 8.000 Liter, 90°C). Beim ersten Wasser gibt es eine Rotation des Rechens, ansonsten wird er nicht genutzt mit dem Ziel einer klaren Würze („clear wort“) zu erzeugen. Die 12.500 Liter aus der Mashtun werden dann in eines der 4 hölzernen Washbacks geleitet und 40kg trockene Hefe hinzugefügt. Nach 8 Stunden folgen weitere 12.500 Liter und somit 25.000 Liter pro Washback. Die Washbacks sind ohne Switcher. Die Fermentationszeit beträgt ca. 70 Stunden.
Die beiden Potstills stammen von Speyside Cooper Works. Die Wash Still wird mit 12.500 Litern (2x) gefüllt. In die Spirit Still passen 9.000 Liter. Die „Foreshots“ (Vorlauf) enden nach ca. 14 Minuten, das „Heart“ (Mittellauf) etwa nach weiteren 2,5 Stunden und die „Feints“ (Nachlauf) brauchen auch nochmal ca. 1 Stunde. Der Alkoholgehalt des Mittellaufs fällt von 72% auf 63% bzw. 61%. Es wird eine „langsame Destillation“ angestrebt. Beide Stills nutzen jeweils ein Wormtub mit 77m Rohrlänge. Die Lyne Arms sind sehr lang – angeblich die längsten in Schottland (8 Meter).
Im Hauptgebäude ist ein Lagerhaus integriert, in dem aktuell ca. 400 Fässer gelagert werden. Demnächst wird das „palletised“ Lagerhaus mit einer Kapazität von ca. 18.000 Fässer fertiggestellt, das zwei Zellen haben wird. Der Rest wird auf dem Festland gelagert. Geplant ist eine Lagerkapazität von 70.000 Fässern. 80% der Fässer sind ex-Bourbon Casks von Heaven Hill und Jim Beam, die aktuell „lightly charred“ werden. Die Produktion wird dieses Jahr ca. 700.000-750.000 LPA betragen mit einer maximalen Kapazität von 1m LPA.
Fazit meiner Tour durch die Ardnahoe Distillery
Billy hat uns eine informative und unterhaltsame Tour geboten, und wir haben jede Minute genossen. Billy hat vorher bereits für Bunnahabhain und Laphroaig gearbeitet und dort u.a. die sozialen Kanäle bespielt.
Ardnahoe ist eine kleine Destillerie mit zwei Brennblasen und einem Café. Vor allem der Ausblick von Ardnahoe bleibt uns in Erinnerung. Doch jetzt ruft Bunnahabhain – also auf zu neuen Whisky-Abenteuern!
Weitere Informationen
- Eine Zusammenfassung meines Schottland Roadtrips 2024 (#SRT24) findest Du hier. Oder Du nutzt das Hashtag #SRT24 an dem Artikel.
- Die Ardnahoe Distillery auf meiner Whisky-Schottlandkarte
- Und wenn Du noch mehr Destillerien aus der Nähe sehen willst, wirst Du hier fündig: Hauptmenü -> Themen -> Destillerietouren (neueste zuerst) oder auf der Seitennavigation (alphabetisch).
- Die Webseite der Ardnahoe Distillery hilft Dir bei den Touren weiter. Meine „Tour“ war als „Member“ kostenlos.