Destillerietour

Pearse Lyons Distillery 2025 – Irlands ungewöhnlichste Brennerei?

Die Pearse Lyons Distillery in Dublin überrascht mit historischen Grabsteinen am Eingang, einem Glasdach im Turm und Brennblasen im Altarraum. Mein Besuch im April 2025 war alles, nur nicht gewöhnlich – und wurde zum persönlichen Whiskey-Highlight meiner Reise.

Hintergrundwissen

Mitten im alten Dubliner Stadtteil Liberties erhebt sich ein ungewöhnliches Bauwerk für eine Whiskybrennerei: ein neugotisches Kirchenschiff, gekrönt von bunten Fenstern, viktorianischer Eichenkonstruktion – und einem Kirchturm, dessen schlanke Spitze heute komplett aus Glas besteht. Sie ragt wie ein moderner Leuchtturm über die alten Dächer und lässt tagsüber Sonnenlicht in das Herz der ehemaligen Kirche strömen, wo heute die Pot Stills blinken. Was aussieht wie ein sakraler Ort, ist tatsächlich die Pears​e Lyons Distillery. Aber der Weg von der Ruine zur hochmodernen Destillerie war alles andere als einfach – und erzählt viel über Vision, Beharrlichkeit und ein bisschen irischen Wahnsinn.

Die St. James’s Church wurde ursprünglich um 1196 gegründet, das heutige Gebäude stammt aus dem Jahr 1860. Fast ein Jahrhundert lang war sie ein religiöser Treffpunkt für die Gemeinde. Doch nach ihrer Entweihung in den 1960ern begann der langsame Verfall: Das Dach war undicht, die Fenster zerbrochen, der Innenraum von Tauben besetzt. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Kirche in der Geschichte verschwinden würde.

2012 stolperten Dr. Pearse Lyons und seine Frau Deirdre über die baufällige Kirche – und verliebten sich. Pearse, in Dublin geboren, entstammt einer langen Linie irischer Küfer. Er war der erste Ire mit einem Doktortitel (PhD) in Biochemie und hatte in den USA ein erfolgreiches Biotech-Unternehmen aufgebaut. Der Gedanke, in seiner Heimatstadt eine Destillerie zu gründen, hatte ihn nie losgelassen. Und wie der Zufall (oder das Schicksal) so will: Sein Großvater wurde ganz in der Nähe geboren – auf der Echlin Street, direkt neben der Kirche.

Die Kirche stand unter strengem Denkmalschutz – also war Improvisation gefragt. Jedes Material musste entweder erhalten oder originalgetreu ersetzt werden. Das klang einfacher, als es war. Für das Dach musste ein stillgelegter Schiefersteinbruch in Irland wiedereröffnet werden – nur um die passenden Schieferplatten zu bekommen. Die für den Dachstuhl nötige Eiche war in Großbritannien inzwischen geschützt und durfte nicht mehr gefällt werden – also wurde sie kurzerhand aus Kanada importiert. Und ein Teil der Restaurierungsmaterialien kam sogar aus Deutschland, darunter Farbe und Putz, die dem Stil des viktorianischen Originalbaus entsprachen.

Was 2013 begann, wurde erst 2017 vollendet: Die Kirche erstrahlte wieder in vollem Glanz – diesmal nicht für Andachten, sondern für Degustationen. Eine glänzende Brennanlage steht heute dort, wo einst die Kanzel war. Glasmalereien erzählen die Geschichte von Whiskey, nicht von Heiligen. Und doch ist der Ort durchzogen von einer Art Ehrfurcht – nicht vor der Religion, sondern vor dem Handwerk und der Geschichte, die sich hier verbindet. Die Renovierung und der Bau der Destillerie haben 22 Mio. Euro gekostet.

Die erste Charge wurde 2012 außerhalb der Destillerie destilliert, ab 2017 dann im Kirchengebäude selbst. Die Destillation fand in der Zwischenzeit in der Grafschaft Carlow statt (etwa eine Stunde entfernt), und zwar bereits mit dem heutigen Brennblasen-Set. Während die Kirche restauriert wurde, hat man dort also mit den späteren Originalanlagen gearbeitet. Insgesamt wird seit 12 Jahren eigener Spirit produziert – davon seit sieben Jahren in der restaurierten Kirche.

Ein Familienunternehmen – auch über den Tod hinaus

Obwohl Dr. Pearse Lyons 2018 verstarb, bleibt die Destillerie fest in Familienhand. Das Projekt war von Anfang an ein gemeinsames Unterfangen mit seiner Frau Deirdre Lyons, die bis heute eine tragende Rolle spielt – sowohl in der Außendarstellung als auch strategisch hinter den Kulissen.

Nach Pearses Tod hat vor allem Mark Lyons, sein Sohn, viele Aufgaben übernommen. Mark war schon zuvor als Präsident von Alltech, dem Mutterunternehmen, tätig – jenem globalen Biotech-Konzern, den Pearse 1980 gegründet hatte. Alltech ist dabei nicht einfach irgendein Konzern: Es war von Anfang an eng mit Fermentation, Hefen und der Alkoholbranche verbunden – also kein Fremdkörper, sondern fast so etwas wie das Rückgrat hinter den Brennereiaktivitäten.

Die Pearse Lyons Distillery selbst ist eine Tochtergesellschaft der Alltech Lexington Brewing and Distilling Company. Die genaue Firmierung lautet derzeit: Pearse Lyons Distillery Limited, registriert in Irland.

Tour durch die Produktion – Vom Friedhof zur Washback

Wir waren nur kurz in Dublin – ein verlängertes Wochenende, keine große Zeit für Destillerien. Aber Pearse Lyons stand ganz oben auf meiner Liste. Diese Kirche mit Brennblasen musste ich sehen. Es war mein erstes Mal in Irland – und die erste irische Whiskybrennerei, die ich je betreten habe. Ein ziemlich denkwürdiger Auftakt.

Obwohl wir uns außerhalb der offiziellen Tourzeiten angemeldet hatten, wurden wir herzlich empfangen. Liam, unser Guide, stand schon am Eingang bereit – ohne Umschweife ging es vorbei an alten Grabsteinen direkt zur Kirche. Gleich im Eingangsbereich, im vorderen Teil der Kirche, befindet sich der Shop mit Merchandise, Gläsern und natürlich der kompletten Range der eigenen Abfüllungen. Alles dezent, stilvoll – keine Touristenfalle, sondern eine Einladung zum Stöbern.

Vor uns war gerade eine Gruppe in der Tour unterwegs. Also bat uns Liam in den rechten Seitenflügel der Kirche – wo es ruhiger war. Dort standen ein paar alte Fotos auf Staffeleien, die zeigten, in welchem Zustand sich das Gebäude vor dem Umbau befand. Es war beeindruckend, was hier in vier Jahren entstanden ist – von der Ruine zur Boutique-Destillerie mit Seele.

Auf der rechten Seite der Kirche beginnt die technische Seite des Ganzen: Die Maische wird hier in zwei getrennten Behältern verarbeitet – ein Mash Conversion Vessel und ein Lauter Tun (das klassische schottische Mashtun findet man hier nicht). Edelstahlleitungen durchziehen den Raum, verbinden die Stationen der Produktion. Alles sehr sauber, sehr durchdacht – modern, aber eingebettet in diese uralten Mauern.

Dort, wo früher der Altar stand, erhebt sich heute eine der kupfernen Pot Stills – flankiert von einer Kolonne, wie man sie von Craft-Destillerien aus den USA kennt. Beide Brennapparate wurden übrigens direkt aus Kentucky importiert. Vor der Brennblase: zwei hölzerne Washbacks, die mit roten Tüchern abgedeckt sind. Wir durften an der Wash riechen – eine süß-säuerliche Wolke aus Malz und Hefe, warm und lebendig.

Zur linken Seite des Kirchenschiffs befindet sich eine kleine Bar. Dort stehen alle Abfüllungen von Pearse offen zur Verkostung bereit. Und in der Mitte – direkt unter dem Kreuzgewölbe – sind die Tische für das Tasting gedeckt. Die Gruppe vor uns startet gerade mit ihrer Verkostung, während wir noch mit staunenden Blicken durch das Kirchenschiff wandern. Ein heiliger Ort. Für Whisky.

Technische Daten der Pearse Lyons Distillery

Vor Ort gibt es keine Mühle. Die Maische wird in einem Mash Conversion Vessel und einem Lauter Tun verarbeitet, die jeweils ein Fassungsvermögen von 2.000 Litern haben.

Die Gärung erfolgt in zwei hölzernen Washbacks mit je 1.000 Litern Volumen. Die Fermentation dauert in der Regel drei bis vier Tage. Verwendet wird eine proprietäre Hefe, die von Alltech – dem Biotechnologieunternehmen von Pearse Lyons – entwickelt und produziert wird. Diese Hefe kommt sowohl in der Destillerie als auch in der Brauerei des Unternehmens zum Einsatz.

Bei der Destillation setzt man auf zwei Brennblasen, die den Stil der Brennerei entscheidend prägen: eine klassische Pot Still mit einem Fassungsvermögen von 2.400 Litern und eine Spirit Still, die eine Hybridform aus Kolonnen- und Pot Still darstellt und 1.499 Liter fasst. Beide Brennblasen kommen bei allen Abfüllungen zum Einsatz. Die besondere Bauweise ist eigens im irischen Whiskeygesetz berücksichtigt. Die Brennanlage hat wesentlichen Einfluss auf den Charakter des Whiskeys.

Pro Woche werden in der Regel zwei Destillationsläufe durchgeführt. Die genaue Jahresproduktion in Litern reinen Alkohols (LPA) wird nicht veröffentlicht.

Abgefüllt wird der New Make standardmäßig mit 63,5 % Volumenalkohol in verschiedene Fasstypen, darunter klassische Ex-Bourbonfässer. Die Brennerei nutzt aber auch eine Vielzahl weiterer Fässer, darunter solche aus ihrer amerikanischen Schwesterbrennerei Town Branch – etwa gebrauchte Bourbonfässer sowie deren Bierfässer, in denen zuvor Ale oder Stout lagerte. Ergänzt wird das Repertoire durch Oloroso-Sherryfässer, Port Pipes und doppelt ausgekohlte Bourbonfässer von Town Branch. Für die Zukunft sind sogar Fässer aus ungarischem Tokaji-Wein vorgesehen. Da die Lagerung von Whiskey in Dublin aus Brandschutzgründen verboten ist, reifen die Fässer an zwei Standorten in ländlichen Regionen Irlands – in West Cork und in Wexford.

Fazit meiner Tour durch die Pearse Lyons Distillery

Die Pearse Lyons Distillery ist nicht einfach eine weitere Station auf der Landkarte irischer Whiskey-Brennereien. Sie ist ein Herzensprojekt, das Geschichte, Handwerk und Vision unter einem Kirchendach vereint. Was hier an Aufwand betrieben wurde – vom Denkmalschutz über die Materialbeschaffung bis hin zur Integration modernster Technik – ist schlicht beeindruckend.

Wer die Gelegenheit hat, sollte diesen Ort unbedingt besuchen. Schon der Moment, wenn man durch das Portal tritt und den Blick auf die glänzenden Pot Stills im Kirchenschiff richtet, ist unvergesslich. Die Atmosphäre ist ruhig, fast ehrfürchtig – und gleichzeitig lebendig, modern und voller Leidenschaft.

Für mich war es ein besonderer Ort. Und meine erste irische Whiskey-Destillerie hätte kaum eindrucksvoller ausfallen können.

Pearse Lyons

Mein Besuch bei der Pearse Lyons Distillery in Dublin (Irland) 2025
Pears Lyons - Dublin
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Weitere Informationen

  • Die Pearse Lyons Distillery auf meiner Whisky-Weltkarte
  • Und wenn Du noch mehr Destillerien aus der Nähe sehen willst, wirst Du hier fündig: Hauptmenü -> Themen -> Destillerietouren (neueste zuerst) oder auf der Seitennavigation (alphabetisch).
  • Die Webseite der Pearse Lyons Distillery hilft Dir bei den Touren weiter. Wir haben eine kostenlose (Kurz-)Führung bekommen.